Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 52 O
246/17
Verkündet am: 15.03.2018
In dem Rechtsstreit
Klägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Christian von
der Heyden,
Konstanzer Straße 6, 10707
Berlin,
g e g e n
...
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwältin ...,
hat die Zivilkammer 52 des
Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, im
schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 19.02.2018 eingereicht
werden konnten, durch die Richterin am Landgericht … als Einzelrichterin
f ü r R e c h t
e r k a n n t :
1.
Das
Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 10. November 2017 -52 O 246/17
wird
aufrechterhalten.
2.
Die Beklagte hat
auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu trage
3.
Das
Versäumnisurteil ist hinsichtlich des Unterlassungstenors zu 1. gegen
Sicherheitsleitung in Höhe von 6.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleitung
in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung
der Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die
Beklagte wegen Zusendung unerwünschter Werbe-Emails in Anspruch.
Sie behauptet, die Beklagte
habe ihr seit dem Jahr 2015 ununterbrochen Werbe-E-Mails ohne Einwilligung
geschickt. Sie haben Beklagte bereits mit E-Mail vom 23. September 2015 (Anlage
K2) aufgefordert, ihre keine derartigen E-Mails mehr zu schicken und ihre
E-Mail-Adresse aus dem Newsletter zu entfernen. Dessen ungeachtet habe die
Beklagte ihr weiterhin Werbe-E-Mails zugesandt, weshalb eine weitere
Unterlassungsaufforderung mit E-Mail vom 12. Juni 2017 erfolgt sei. Danach sei
dennoch am 27. Juni 2017 eine weitere Werbe-Mail übersandt worden, woraufhin
die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten mit der Abmahnung der Beklagten
beauftrage.
Mit anwaltlichem Schreiben
vom 04. Juli 2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie
vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur
Zahlung der für die Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten auf.
Mit Versäumnisurteil im
schriftlichen Vorverfahren vom 10. November 2017 hat das Gericht, nach
Rücknahme des Zahlungsantrags durch die Klägerin um 132,80 €, die Beklagte wie
folgt verurteilt. Mit Tenor zu 1. hat das Gericht der Beklagten bei Meidung
eines Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00€, ersatzweise Ordnungshaft oder einer
Ortungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollstrecken an
der Geschäftsführerin, untersagt, an die Klägerin ohne deren Einwilligung Werbe
E-Mails zu versenden oder versenden zu lassen. Mit Tenor zu 2. hat es die
Beklagte verurteilt, an die Klägerin 480,00€ nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2017 zu
zahlen.
Gegen das ihr am 17. November
2017 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.
November 2017 Einspruch eingelegt.
Die Beklagte behauptet, es
habe eine langjährige Kundenbeziehung zwischen ihr als Lieferant und der FU
Berlin bestanden, und zwar dergestalt, dass sie sich mit der Vorstellung neuer
Produkte und zeitlich begrenzten Sonderaktionen sowohl an den Zentraleinkauf,
als auch an die entsprechenden Institute direkt wenden könne. Die Klägerin sei
als Institut für … als Ansprechpartner hinterlegt und habe daher ebenfalls per
E-Mails Informationen über neue Produkte erhalten. Dies allein auf der
Grundlage der langjährigen Geschäftsbeziehung mit der FU. Sie behauptet, die
beanstandete E-Mail vom 27. Juni 2017 sei aufgrund eines internen Versehens
erfolgt, einem internen Kommunikationsfehler, der noch am selben Tag behoben
worden sei. Noch am 27. Juni 2017 habe sie sich für die übersandte E-Mail
entschuldigt und der Klägerin mitgeteilt, dass nunmehr sichergestellt sei, dass
sie trotz Kundenbeziehung keine Produktinformationen mehr erhalte. Zum Beleg
berufe sie sich auf die Anlagen B5-B7. Es sei auch deutlich gemacht worden,
dass die Klägerin nur als Repräsentant eines Institutes von der Beklagte
angesprochen worden sei. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei vor
diesem Hintergrund unverständlich und völlig übergezogen.
Zur Ergänzung des Sach- und
Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Einspruch der Beklagten
ist zulässig, da form- und fristgerecht eingelegt, hat in der Sache aber keinen
Erfolg.
1.
Der Klägerin steht der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 1. des Versäumnisurteils
gemäß §§ 823, 1004 BGB zu.
Nach ständiger Rechtsprechung
(vergl. zuletzt BGH NJW 2017, 2119) stellt das Zusenden von Werbe-E-Mails an
Unternehmen ohne deren ausdrückliche Einwilligung einen rechtswidrigen Eingriff
in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb dar.
Dabei kommen die Maßstäbe des
§ 7 UWG auch im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbetrieb gem. § 823 I BGB zur Anwendung (Köhler in
Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 14). Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung
des Eindringens des Webenden in die geschäftliche Sphäre, insbesondere die
Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll
verhindert werden, dass dem Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren
und mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 1511).
Unverlangt zu gesendete E-Mail-Werbung erfolgt betriebsbezogen und
beeinträchtigt den Betriebsablauf im Unternehmen des Empfängers. Bei den von
der Beklagten übersandten E-Mails gemäß Anlagenkonvolut Anlage K 1 handelt es
sich um Werbung im Wesentlichen für Einweghandschuhe.
Die Werbe-E-Mails der
Beklagten waren nicht durch eine vorherige ausdrückliche Einwilligung der
Klägerin gedeckt.
Ob es eine langjährige
Kundenbeziehung zwischen der Beklagten als Lieferant und der FU Berlin
dergestalt gab, dass die Beklagte Werbe-Mails über neue Produkte und zeitlich
begrenzten Sonderaktion sowohl an den Zentraleinkauf, als auch an die
entsprechenden Institute direkt wenden könne, kann dahingestellt bleiben, da
hieraus schon nicht eine ausdrückliche Einwilligung der bei der FU Berlin
gelisteten einzelnen Institute zur Übersendung von Werbe-Mails durch die
Beklagte abgeleitet werden kann.
Aus der permanenten
Übersendung von Werbe-E-Mails kann hier auch nicht auf eine konkludente
Einwilligung der Klägerin geschlossen werden. Vielmehr hat die Klägerin der
Übersendung von Werbemails mehrfach ausdrücklich widersprochen, und zwar bereits
im November 2015, zuletzt mit der E-Mail vom 12 Juni 2017 (anklage K 1).
Dennoch hat die Beklagte hiernach unstreitig noch am 27. Juni 2017 eine weitere
Werbe-Mail übersandt. Ob dies – wie sie vorgetragen hat – aufgrund eines
Kommunikationsfehlers geschehen ist, kann dahingestellt bleiben, da der
Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig ist. Im Übrigen hätte sie aber
bereits nach E-Mail der Klägerin vom 23. November 2015, in der diese
ausdrücklich erklärt hatte, dass sie keine weiteren Werbe-E-Mails erhalten
wolle und sofort alle ihre Adressen aus dem Newsletterversand gelöscht werden
sollen, reagieren müssen und die Klägerin aus dem Verteiler herausnehmen
müssen.
Die Wiederholungsgefahr ist
durch die Verstöße indiziert und hatte nur durch Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung beseitigt werden können, wozu die Beklagte nicht bereit
war.
2. Der Klägerin steht auch
ein Anspruch auf Ersatz der durch die anwaltliche Abmahnung vom 27.06.2017
(Anlage K2) entstandenen Kosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne
Auftrag und als Schadensersatz gemäß § 823 BGB zu. Zum einsatzfähigen Schaden
gehören auch die Kosten der Rechtsverfolgung.
Die Abmahnung war berechtigt,
wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1 ergibt, auf die insoweit
Bezug genommen werden kann. Es lag auch Verschulden vor. Die Beklagte hätte
bereits nach der E-Mail der Klägerin vom 23. November 2015, in der die
ausdrücklich erklärt hatte, dass sie keine weiteren Werbe-E-Mails erhalten
wolle und sofort alle ihre Adressen aus dem Newsletterversand gelöscht werden
sollen, reagieren müssen und die Klägerin aus dem Verteiler herausnehmen müssen.
Dies ist unstreitig nicht geschehen. Dass die Beklagte unmittelbar nach der
Unterlassungsaufforderung von Juni 2017 tätig geworden ist und den Auftrag
erteilt hat, zur Herausnahme der Klägerin aus dem Verteiler, ist ebenfalls
nicht dargelegt. Auch ein Kommunikationsfehler im Rahmen ihres
Geschäftsbetriebs muss sich die Beklagte im Übrigen als Verschulden zurechnen
lassen. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist auch in der jetzt noch geltend
gemachten Höhe nach einem Gegenstandwert von 6.000,00€ begründet. Dieser Wert
entspricht dem vom Kammergericht (KG Beschluss vom 17. Mai 2016 – 5 W 209/15-)
und der Kammer in ständiger Rechtsprechung bei belästigender E-Mail-Werbung
gegenüber Gewerbetreibenden ansetzt.
Der Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit folgt §§ 709 Satz 3 ZPO