Mittwoch, 10. Januar 2018

LG Hildesheim entscheidet: IDO Verband fehlt die Aktivlegitimation im Münzhandel


Gericht: Landgericht Hildesheim
Entscheidungsart: Urteil (einstweiliges Verfügungsverfahren)
Aktenzeichen: 11 O 17/17
Entscheidungsdatum: 24.10.2017
Rechtskräftig: Nein, Kläger hat Berufung eingelegt
Kläger/Gegner: IDO Verband
Beklagtenvertreter: RA von der Heyden, Konstanzer Str. 6, 10707 Berlin

Leitsätze (des Verfassers)          

1.   Es besteht nicht von vornherein ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Münzhändler und Vertreibern von Sammlerartikeln anderer Art.
2.    Fünf Mitglieder eines Wettbewerbsverbandes, die auch Münzen verkaufen, kommt bezogen auf den gesamten Markt und unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gewichts lediglich eine sehr geringe Bedeutung zu.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
(…)
hat das Landgericht Hildesheim - 2. Kammer r Handelssachen (…) für Recht erkannt:

1) Die einstweilige Verfügung vom 26. Mai 2017 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 23. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

2) Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
 
3) Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger begehrt die Unterlassung mehrerer wettbewerbsrechtlicher Verstöße, die seiner Auffassung nach von der Verfügungsbeklagten beim Verkauf von Münzen auf der Handelsplattform eBay begangen wurden.

Ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Satzung ist der Verfügungskläger ein Verein zur Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online - Unternehmer und Online- Freiberufler. Die Verfügungsbeklagte ist Münzhändlerin und vertreibt die Münzen u.a. auf ihrer Website (…) sowie auf der Verkaufsplattform eBay unter der Händlerbezeichnung (…).

Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 (Anlage K 18) mahnte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte ab, weil diese auf der Handeisplattform eBay am 3. Mai 2017 eine Münze zum Verkauf angeboten hatte, ohne Informationen über das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen, ohne einen r den Verbraucher leicht zugänglichen Link zur OS-Plattform einzustellen und ohne den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird.

Die Verfügungsbeklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 8. und 9. Mai 2017 (Anlagen K 19) um den Nachweis der Aktivlegitimation des Verfügungsklägers. Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 (Anlage K 19) nahm die Vergungsbeklagte die Aktivlegitimation erneut in Abrede, nachdem der -Verfügungskläger sich dazu nicht weiter geäußert hatte. Außerdem wandte sie ein, dass der allgemeine Verweis auf Mitglieder im Bereich Sammlerartikel“ nicht ausreichend sei.

Der Verfügungskläger beantragte daraufhin am 25. Mai 2017 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, welche durch Beschluss des Vorsitzenden am 26. Mai 2017 erlassen wurde. Der Verfügungsbeklagten wurde darin aufgegeben, es zu unterlassen, 

I. im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz betreffen Sammlerartikel Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,

1) bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird, und/oder

2) ohne auf der Webseite einen für Verbraucher leicht zugänglichen Link zur OS-Plattform einzustellen, und/oder

3) im elektronischen Geschäftsverkehr betreffen Sammlerartikel Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, ohne den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht.


Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 6. Juli 2017. Die Verfugungsbeklagte behauptet, der Verfügungskläger habe nicht ausreichend dargelegt, dass ihm eine Zahl von Mitgliedern angehöre, deren Interessen von der behaupteten Zuwiderhandlung berührt seien. Es bestehe zwischen der Branche „Sammlerartikel“ und der der Branche „Münzhandel“ keine hinreichende Überschneidung. Dem Verfügungskläger würde außerdem auch im Bereich „Münzendie Aktivlegitimation fehlen, weil der Verfügungskläger nicht nachgewiesen habe, dass die in der - nicht anonymisierten - Mitgliederderliste aufgeführten Händler tatsächlich

Mitglied bei dem Verfügungskläger seien und tatsächlich mit Münzen handeln würden. Es sei insoweit nicht ausreichend, wenn etwaige Mitglieder des Klägers lediglich bei Gelegenheit einzelne Münzen verkaufen würden.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 26. Mai 2017 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

den Widerspruch der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 26. Mai 2017 aufrechtzuerhalten.

Der Verfügungskläger behauptet, er habe durch Vorlage der nicht anonymisierten Mitgliederlisten für die Branchen ,,Sammlerartikel“ sowie „Münzen“ (Anlagen K 24 und K 25) und aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ausdrucke der Angebote der einzelnen Händler seine Aktivlegitimation für dieses Verfahren hinreichend nachgewiesen. Die Bezeichnung „Sammlerartikel“ sei ausreichend konkret gefasst und stelle eine gängige Branche dar, für die er aktivlegitimiert sei. Er habe 87 Mitglieder im Bereich „Sammlerartikel“ (Anlage K 24), von denen 22 Mitglieder im Bereich ,,Münzen“ tätig seien (Anlage K 25).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung vom 26. Mai 2017 war aufzuheben und der Antrag auf Erlass dieser einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, weil der Antragsteller bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, dass er nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt ist.

Die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG liegt vor, wenn es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen handelt, der die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmen wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich der Anspruch richtet.

Zwar handelt es sich bei dem Verfügungskläger um einen rechtsfähigen Verein zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Unstreitig ist der klagende Verein nach seiner Satzung berufen, die Interessen seiner Mitglieder und die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu fördern.

Auch ist der Verfügungskläger in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Von dem Vorhandensein der dazu erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung ist nach dem - unbestrittenen - Vortrag des Verfügungsklägers auszugehen.

Jedoch hat der Verfügungskläger nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm auch eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern angehört, die Leistungen gleicher oder verwandter Art verwandter Art wie die Verfügungsbeklagte anbieten.

Zwar ist der Begriff des sachlich relevanten Marktes, bei dem es grundsätzlich ausreicht, dass ein Teil der Mitglieder des Antragstellers Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art anbieten, grundsätzlich weit auszulegen.

Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zumindest angrenzenden Branchen begründet. Dabei ist auf Seiten des in Anspruch Genommenen auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbshandlung zuzurechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007, I ZR 51/04 Rn. 14; OLG Celle, Beschluss vom 27. März 2017, 13 U 199/16, Rn. 35; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rn. 3.38 m.w.N.).

Danach ist r die Beurteilung, ob die Mitglieder des Vergungsklägers der Verfugungsbeklagten auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können, nicht die von dem Verfügungskläger angeführte Branche „Sammlerartikel“ maßgeblich, sondern die Branche „Münzhändler“. Der Verfügungskläger hat bereits nicht dargelegt, was konkret diese Sammlerartikel umfassen sollen, nachdem man so gut wie alle Waren und Objekte sammeln und heutzutage über die Handelsplattformen wie eBay oder Google ohne weiteres bundesweit anbieten kann. Würde man die allgemein gefasste Branche „Sammlerartikel“ ausreichen lassen, so würden damit auch Sammler von Bierdeckeln, Aufklebern, Postkarten, Fußballbildern, Streichholzschachteln, Überraschungseiern etc. mit dem Münzhändler dieselbe Branche begründen, was ersichtlich deutlich zu weit gefasst ist (vgl. auch LG München I, Urteil vom 13.02.2017, 4 HK O 22005/16, Anlage B 1). Waren verwandter Art könnten dabei in Bezug auf Münzen allenfalls noch Medaillen, Silberwaren und Schmuck sein (vgl. BGH GRUR 1997, 479, 480). Dazu hat der Verfügungskläger jedoch bereits keinen Vortrag gehalten.

Der Verfügungskläger hat zwar durch die Vorlage der nicht anonymisierten Mitgliederliste für die Branche „Münzen, die 22 namentlich benannte Händler enthält (Anlage K 25) und durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung seiner Geschäftsführerin vom 29. September 2017 (Anlage K 26) grundsätzlich hinreichend glaubhaft gemacht, dass die in der Liste (Anlage K 25) genannten Handler tatsächlich Mitglieder des Antragstellers sind.

In räumlicher Hinsicht ist der relevante Markt dabei nicht allein auf Gifhorn oder Niedersachsen beschränkt, sondern umfasst ganz Deutschland. Die Verfügungsbeklagte vertreibt ihre Münzen nicht nur in Gifhorn und Umgebung, sondern bundesweit über das Internet.

Es fehlt jedoch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung, dass die benannten 22 Händler tatsachlich alle mit Münzen handeln.

Ein solcher Nachweis durch Vorlage der Ausdrucke einzelner Angebote bzw. der Webseiten dieser Händler (Anlage zum Protokoll vom 04.10.2017, Bl. 73 ff d.A.) ist dem Verfügungskläger nicht gelungen.

Ein Abgleich der Liste „Münzhandler“ (Anlage K 25) mit diesen Ausdrucken ergibt, dass für sieben Mitglieder dieser Liste, nämlich Nr. 5 (…), Nr. 7 (…), Nr. 11 (…), Nr. 14 (…), Nr. 20 (…), Nr. 21 (...) und Nr. 22 (…) überhaupt keine Nachweise zum Vertrieb von Münzen vorgelegt wurden.

Hinsichtlich sechs weiteren Händlern ist durch die Ausdrucke nicht nachgewiesen worden, dass die vorgelegten Angebote tatsachlich von dem jeweiligen Handler in der Liste stammen, weil die Angebote allenfalls die „eBay-Namen“ enthalten, nicht jedoch die Klarnamen der Anbieter, so bei Nr. 2 (…), Nr. 9 (…), Nr. 10 (…), Nr_ 13 (…), Nr. 16 (…) und Nr.17 (…).

Die Händlerin Nr. 1 (…) vertreibt nach dem für sie vorgelegten Ausdruck keine Münzen, sondern ein Schmuckstück (Münze mit fest verbundenem Anhänger als Schmuck). Zwei weitere Handler haben nach dem jeweils vorgelegten Angebot lediglich eine einzige Münze in ihrem Angebot, nämlich Nr. 15 (…) und Nr. 18 (…).

Es verbleiben damit fünf Mitglieder des Verfügungsklägers, welche nachgewiesen mit (mehr als einer) Münzen handeln, nämlich die Nr. 3 (…), Nr. 4 (…), Nr. 6 (…), Nr. 8 (…) und Nr. 19 (…).

Der Verfügungskläger hat damit zugleich nicht glaubhaft gemacht, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern angehört, die Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die Verfügungsbeklagte anbieten.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss es sich um eine erhebliche Zahl von betroffenen Mitgliedsunternehmen handeln. Welche Anzahl von Gewerbetreibenden „erheblichist, lässt sich nicht von vornherein und generell bestimmen. Insoweit ist keine Mindestanzahl erforderlich, zumal auf vielen Märkten nur wenige Unternehmen tätig sind. Nicht einmal die Mehrheit der Mitbewerber muss dem Verband angehören. Es müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rn. 3.42a m.w.N.) Eine Beurteilung nur nach Quoten oder Prozent ist dabei nicht vorzunehmen. In Zweifelsfällen ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Zahl und wirtschaftliche Bedeutung der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf zulasst, dass nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame („kollektive“) gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen werden (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O.).

Allein der Berufsverband des deutschen Münzfachhandels e.V. hat (Stand Oktober 2017) 230 Mitglieder, der Verband der deutschen Münzhandler e.V. 44 Mitglieder; Münzhändler mit eigenem Online-Shop gibt es jedenfalls mindestens 44 (vgl. www.muenzen.eu) bzw. 30 (vgl. www.silber.de/muenzhändler). Die Mitglieder des Verfügungsklägers sind keine Mitglieder der Berufsverbände und bei den oben benannten Online-Shops nicht gelistet, ebenso wenig wie die unzähligen weiteren gewerblichen Anbieter von Münzen, die nicht in einem der beiden Verbände organisiert sind und auch nicht ausschließlich Münzen nebst Zubehör veräußern, sondern Münzen neben einer Vielzahl von anderen Artikeln, wie z.B. Antiquitäten, Schmuck, Briefmarken, im Internet zum Kauf anbieten. Dabei dürfte es sich auch bei vorsichtigen Schätzungen jedenfalls um eine Zahl von über 5000 gewerblichen Anbietern von Münzen bundesweit handeln.

Setzt man die fünf Mitglieder des Verfügungsklägers dazu ins Verhältnis, zeigt sich deutlich, dass der Kläger nicht hinreichend nachgewiesen hat, über eine „erhebliche Anzahl von Mitgliedern 1 zu verfügen. Selbst innerhalb der Struktur des Verfügungsklägers stellen fünf Mitglieder von insgesamt 2.100 Mitgliedern (so der Verfügungskläger) bereits nur 0,2 % seiner eigenen Mitglieder dar. Den fünf – hier noch relevanten - Mitgliedern des Verfügungsklägers kommt daher bezogen auf den gesamten Markt und unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gewichts lediglich eine sehr geringe Bedeutung zu. Es ließ sich daher nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen, dass es dem Verfügungskläger gerade um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen „seiner" Münzhändler geht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.