Landgericht Berlin
lm
Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer:
103 O 132/14
verkündet
am: 02.06.2015
In
dem Rechtsstreit
der
…
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
von der Heyden, Brandenburgische Straße 24, 10707 Berlin,
gegen
…
Prozessbevollmächtigte:
…
Beklagte,
hat die Kammer für Handelssachen 103
des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12 - 17, 10179 Berlin,
auf die mündliche Verhandlung vom 02.06.2015 durch die Vorsitzende Richterin am
Landgericht Dieckmann, die Handelsrichterin Diers und den Handelsrichter Zybell
für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2015 zu zahlen.
- lm Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin bietet über das Internet
Kunst- und Designartikel aus den 50er bis 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts
an, darunter Kaufmannsläden und Puppenstuben, aber auch andere Spielwaren. Die
Beklagte betreibt unter www.h.........de ebenfalls einen Onlineshop für
Spielwaren.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten
vom 20.11.2014 mahnte die Beklagte die Klägerin wegen Verwendung einer
Widerrufsbelehrung ab, die einen Widerruf durch Rücksendung der Sache vorsah,
entsprechend der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage. Die Beklagte setzte
eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 27.11.2014 und wies
darauf hin, dass die Wiederholungsgefahr "nur durch Abgabe der anliegend übersandten
strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden kann". In dieser
Unterlassungserklärung sollte sich die Klägerin verpflichten, es bei Meidung
einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 € für jeden Fall der schuldhaften
Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber
Verbrauchern im Rahmen ihres eBay-Shops (...) in der Widerrufsbelehrung zu erklären,
dass Verbraucher ihre Vertragserklärung auch durch Rücksendung der Ware
widerrufen können. Weiter sollte sie sich verpflichten, der Beklagten die für
die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten auf Grundlage eines
Gegenstandswertes von 1.000 € in Höhe einer 1,3 Gebühr (Nr. 2300 VV RVG) in Höhe
von 104 € zuzüglich Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20 € sowie
19 % Mehrwertsteuer in Höhe von 23,56 €, mithin 147,56 € zu erstatten.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten
vom 26.11.2014 wies die Klägerin die Abmahnung zurück, weil sie rechtsmissbräuchlich
und unbegründet sei, und forderte die Beklagte unter Fristsetzung auf, die
Abmahnung zurückzunehmen und zu erklären, dass sie auch künftig nicht wegen des
abgemahnten Verhaltens gegen die Klägerin vorgehen werde. Ferner forderte die
Klägerin die Erstattung der durch die Inanspruchnahme ihrer Rechtsanwälte
entstandenen Kosten in Höhe von 147,56 €.
Die Klägerin trägt vor: Die Abmahnung
vom 20.11.2014 sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte mache mit ihrem Geschäft
kaum Umsatz, sondern erziele Einnahmen daraus, dass sie vermeintliche
Konkurrenten wegen vermeintlicher Verstöße gegen die neuen Vorschriften über
die Widerrufsbelehrung massenhaft abmahne. So habe die Beklagte, was unstreitig
ist, die ersten Abmahnungen bereits zwölf Tage nach Inkrafttreten der Neuregelung
ausgesprochen.
Weitere Umstände belegten den
Rechtsmissbrauch. So sei der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ein persönlicher
Bekannter des Ehemannes der Beklagten. - Der Hinweis, dass die Wiederholungsgefahr
nur durch Unterzeichnung der beigefügten Unterlassungserklärung beseitigt werden
könne, sei so zu verstehen, dass ein Vertragsstrafenversprechen nach Hamburger
Brauch nicht akzeptiert werde. — Die Fristen zur Abgabe der Unterlassungserklärung
und Erstattung der Abmahnkosten seien gleich laufend gesetzt, eine Fristverlängerung
von vornherein ausgeschlossen worden. - Die Vertragsstrafe von 5.100 € sei angesichts
des Gegenstandswertes von 1.000 € überhöht. — Es werde Erstattung der Mehrwertsteuer
gefordert, obwohl die Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt sein dürfte. Sei sie
dies als Kleinunternehmerin jedoch nicht, stehe die Abmahntätigkeit in keinem
Verhältnis zu ihrem Umsatz. — Es sei davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte
die Beklagte von den Kosten freistelle.
Die Abmahnung sei auch unbegründet. Es
sei zulässig, mit den Kunden zu vereinbaren, dass der Widerruf auch durch Rücksendung
der Ware erklärt werden könne.
Da die Abmahnung rechtsmissbräuchlich
erfolgt sei, sei die Beklagte zum Ersatz der durch die Gegenabmahnung
entstandenen Anwaltskosten verpflichtet.
Die Klägerin hat negative
Feststellungsklage erhoben, mit der sie festgestellt haben wollte, dass der
Beklagten kein Unterlassungsanspruch entsprechend der Abmahnung vom 20.11.2014
zustehe, die Abmahnung unwirksam sei und eine Kostenerstattungspflicht nicht
ausgelöst habe. Im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Verjährung etwaiger
Ansprüche der Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend
in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
die
Beklagte zu verurteilen, an sie 147,56 € nebst Zinsen in Hiihe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie trägt vor: Die Abmahnung sei
berechtigt gewesen. Selbst wenn Vereinbarungen über einen Widerruf durch Rücksendung
zulässig seien, könne dies nicht im Rahmen der Widerrufsbelehrung erfolgen,
sondern nur durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Der
Vortrag der Klägerin sei überwiegend unzutreffend, so zum Punkt der
Fristsetzung für Unterlassungserklärung und Kostenerstattung. Es sei der Klägerin
unbenommen gewesen, eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch
abzugeben. Die Vertragsstrafe halte sich im Bereich des Normalen. Dass sie sich
aus wirtschaftlichen Gründen entschlossen habe, ihre Ansprüche gegen
die Klägerin nicht gerichtlich durchzusetzen, spreche nicht für
Rechtsmissbrauch.
lm Termin zur mündlichen Verhandlung
hat die Beklagte erklärt, dass sie bisher 25 Abmahnungen ausgesprochen habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien im
einzelnen wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bis auf einen Teil des
Zinsanspruchs begründet. Der Klägerin steht gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG ein
Anspruch auf Ersatz der Kosten zu, die durch das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten
vom 26.11.2014 entstanden sind.
Die Abmahnung vom 20.11.2014 war
rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn die
Geltendmachung von Ansprüchen vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden
einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen
zu lassen. Dafür sprechen hier mehrere Umstände, die in der Zusammenschau dazu
führen, das Vorgehen der Beklagten als unzulässig anzusehen.
Dies ist zum einen die Formulierung in
der Abmahnung, dass die Wiederholungsgefahr nur durch Abgabe der anliegend übersandten
strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden kann. Damit vermittelte
die Beklagte den Eindruck, dass sie jede Änderung der Unterlassungserklärung
nicht akzeptieren werde, insbesondere also keine Unterlassungserklärung nach
Hamburger Brauch. Weiter wird aber auch der Eindruck erweckt, dass die
Beseitigung der Wiederholungsgefahr abhängig von der Verpflichtung zur
Kostenerstattung ist, was unzutreffend ist, denn diese Verpflichtung ist
keineswegs Voraussetzung für eine ernsthafte Unterlassungserklärung.
Bedenken begegnet auch die von der
Beklagten vorgegebene Höhe der Vertragsstrafe. Zwar ist eine Vertragsstrafe von
5.100 € im Wettbewerbsrecht durchaus üblich. Die Vertragsstrafe muss jedoch in
einem angemessenen Verhältnis zur Schwere eines etwaigen Verstoßes stehen. Wie schwerwiegend
eine weitere Verletzung vom Gläubiger, hier der Beklagten, eingeschätzt wird, kann
ohne weiteres anhand des angesetzten Gegenstandswertes beurteilt werden. Diesen
hat die Beklagte mit 1.000 € angegeben. Das ist ein Wert im untersten Bereich
und für Wettbewerbsverstöße äußerst ungewöhnlich. Jedenfalls gibt die Beklagte
damit zu erkennen, dass sie die Einräumung eines Widerrufsrechts, das durch Rücksendung
der Sache ausgeübt werden kann, als Bagatellfall einstuft. Für eine Bagatelle
ist aber eine Vertragsstrafe von 5.100 € weit überhöht.
Denkbar ist allerdings auch, dass die
Beklagte (bzw. ihr Prozessbevollmächtigter) den Gegenstandswert bewusst zu
niedrig angesetzt hat in der Hoffnung, der Abgemahnte werde sich wegen der
relativ geringen Höhe der Forderung von unter 150 € nicht streiten wollen und
lieber zahlen, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Dies wäre dann
allerdings ein Gesichtspunkt, der erst recht zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen
Verhaltens führen müsste.
Vor allem aber spricht die Anzahl der
Abmahnungen und das im vorliegenden Fall gezeigte Verhalten der Beklagten dafür,
dass es ihr in erster Linie auf die Generierung von Aufwendungsersatzansprüchen
ankommt, nicht so sehr auf die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte
hat schon kurz nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung begonnen, Konkurrenten
wegen Verwendung der veralteten Widerrufsbelehrung abzumahnen, eines
Wettbewerbsverstoßes, der leicht zu, ermitteln ist und der gerichtsbekannt
massenhaft vorgekommen ist, weil nicht alle Online-Händler sofort ihre
Widerrufsbelehrung an die neue Gesetzeslage angepasst hatten. Die Beklagte hat
sich also ein lukratives Geschäftsfeld gesucht. In diesem Bereich hat sie
innerhalb eines Jahres jedenfalls 25 Abmahnungen ausgesprochen. Dies ist zunächst
angesichts der Vielzahl geschehener Wettbewerbsverstöße nicht viel. Wenn man
aber berücksichtigt, dass es sich bei der Beklagten um eine Kleinunternehmerin handelt,
die den Vortrag der Klägerin, dass sie mit ihrem Onlineshop kaum Einnahmen
erziele, nicht bestritten hat, und dann hinzu kommt, dass die Beklagte selbst
vorträgt, dass sie von einer Klageerhebung gegen die Klägerin aus
wirtschaftlichen Gründen Abstand genommen hat, so lässt dies nur den Schluss
zu, dass die Kosten, die durch 25 Abmahnungen entstanden sind und die von der
Beklagten zu tragen wären, wenn die Abgemahnten nicht zahlen, in keinem wirtschaftlichen
Verhältnis zu den sonstigen Einnahmen der Beklagten stehen. Dies macht das
Vorgehen der Beklagten rechtsmissbräuchlich.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286,
288, 291 BGB. Der Klägerin stehen Zinsen erst ab Rechtshängigkeit des mit der Klageerweiterung
geltend gemachten Zahlungsanspruchs zu, denn eine einseitige Fristsetzung erfüllt
nicht die Voraussetzungen von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Palandt § 286 Rdnr. 22).
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91
a, 92 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat auch die Kosten hinsichtlich der für
erledigt erklärten Feststellungsanträge zu tragen. Da die Abmahnung rechtsmissbräuchlich
war, stand der Beklagten weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu
noch konnte sie Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten
verlangen.
Bis zur Verjährung der etwaigen Ansprüche
der Beklagten war die Klage daher begründet.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Dieckmann Diers Zybell